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Der Schrei nach Gerechtigkeit

STWR
02 May 2012

Wird nur eine Träne des Mitgefühls für andere vergossen, wird das Leben in seiner Unendlichkeit, zu all den sichtbaren Sternen, über dein liebendes Herz sprechen.


Jeglicher Kommentar von Expert Analysten über das bröckelnde Finanzsystem ergibt so gut wie keine Einsicht hinsichtlich dessen, was heute wirklich in der Welt geschieht. Unzählige Artikel werden geschrieben, wie man Wirtschaft und Wachstum wieder ankurbeln kann, aber diese sind nur relevant für ein System das nie tragfähig war und das nun auch seinem Ende zugeht. Was wir unter diesem "System" verstehen, ist so kompliziert geworden, dass es mittlerweile anscheinend ein Eigenleben entwickelt hat und nicht einmal die gebildetsten Ökonomen können es noch verstehen. Nur wenige politische Entscheidungsträger sprechen in Begriffen welche für die gewöhnlichen Menschen, die versuchen mit ihrer Familie über die Runden zu kommen und darum kämpfen einen Job zu erhalten, noch Bedeutung haben. Noch nie war die Trennung der Welten so deutlich zwischen den privaten Konferenzen der mächtigsten Politiker und dem alltäglichen Leben der Menschen, denen diese Politiker eigentlich dienen sollten. Gleichzeitig passiert jedoch etwas ganz Neues in der Welt, was nur eine einfache Art und Weise der Betrachtung erfordert, um es zu verstehen.

Die Proteste, die in fast allen Ländern entstehen, sind ein großartiger Anblick, aber es ist wichtig zu erkennen, dass jeder von uns, der an den Protesten gegen "das System" beteiligt ist, ebenfalls in das Chaos der Banker und Politiker verstrickt ist. Wir sind alle Teil des Systems, ohne Ausnahme. Hunderte von Jahren der Selbstgefälligkeit haben uns an diesen Punkt gebracht. Wenn wir nicht erkennen, dass die Gesellschaft eine Erweiterung unserer selbst ist, könnten unsere Proteste zu einem enormen Chaos und mehr Gewalt führen, da sich die wirtschaftliche Situation weiter verschlechtert, während die politischen Parteien sowohl der Linken als auch der Rechten keine Antwort auf die zunehmenden sozialen Probleme und Ungleichheiten haben. Das System besteht aus gewöhnlichen Menschen wie du und ich, aus Männern und Frauen mit Familien und Kindern, weshalb es unerlässlich ist "das System" nicht anzugreifen, da es darauf hinauslaufen könnte, dass wir gegeneinander vorgehen.

Viele Regierungen haben in der modernen Geschichte mit guten Absichten versucht eine komplette Neuordnung des Systems herbeizuführen. Diese Änderung wurde immer auf der Basis einer politischen Ideologie erhoben. Aber die Zeit ist gekommen, wo Ideologien nicht mehr nötigt sind. Es war nichts gegen die Grundsätze des Kapitalismus, Sozialismus und Kommunismus einzuwenden, aber die Regierungen haben diese Prinzipien ihrem Volk gegenüber missbraucht, mit einer imposanten und arroganten Haltung, alles im Namen Ihrer Überzeugung. Mehr und mehr Menschen werden sich heute der Notwendigkeit bewusst, frei zu sein von diesen politischen "Ismen", die so viel Leiden und Konflikte auf der ganzen Welt verursacht haben. Mehr als ein Jahrzehnt nach dem neuen Millennium erscheint es unsinnig sich als Kommunist, Sozialist oder Kapitalist zu identifizieren oder zu glauben, dass man Freiheit durch das Tragen einer Uniform erwerben kann - in anderen Worten, dass wir glauben eine Ideologie zerstören zu können indem wir sie durch eine andere ersetzen.

Als Zeugen der jetzt stattfindenden Aufstände und Demonstrationen können wir buchstäblich sagen, dass die Menschen beginnen bewusster zu werden. Ohne Herablassung, könnte man es auf diese Art ausdrücken -, dass immer mehr Menschen beginnen selbstständig zu denken, und sich nicht mehr darauf verlassen was andere Leute ihnen sagen - kurz sie nehmen den anderen ihre Glaubensätze nicht mehr ab. Unsere Bildungsanstalten helfen uns nicht zu verstehen, dass Ideologien eine Verleugnung der menschlichen Freiheit sind und sie lehren uns nicht was es bedeutet innerlich frei zu sein. Aber heute erkennen die Menschen das intuitiv aus sich selbst heraus. Daher finden so viele dramatische Veränderungen auf der ganzen Welt statt.

Bitte betrachten Sie den sogenannten arabischen Frühling; Millionen von Menschen befreiten sich mutig von Diktatoren, die dem Volk seit Jahrzehnten ihre Überzeugungen und Ideologien auferlegten, und noch jetzt, wo sich die Revolution entfaltet, versuchen viele verschiedene Gruppierungen sich gegenseitig alle möglichen neuen Ideologien aufzuzwingen.  In Ägypten hat die Armee schnell versucht wieder das alte System auf Basis der Macht und der Privilegien aufzubauen, auch wenn eine Million Menschen wieder auf die Straße gingen. Im Zuccotti Park und in St. Pauls gab es wie in jeder Massenprotestbewegung viele intellektuelle Fraktionen mit unterschiedlichen Überzeugungen, die alle um Aufmerksamkeit innerhalb der Menge konkurrierten. Lassen wir uns nicht täuschen. Demokratie ist eng mit Freiheit verbunden, aber die Art von Demokratie, die wir heute haben, ist eine aufgezwungene und gesteuerte Form der sozialen Organisation. Erst wenn ein jeder von uns die Freiheit erlebt, die von Innen kommt, kann er wissen was wahre Demokratie ist und nicht vorher. Zumindest reicht es nicht aus, alle paar Jahre eine politische Partei zu wählen, wenn kein führender Politiker eine Antwort auf unsere sozialen und wirtschaftlichen Probleme hat.

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Wenn wir auf der Seite der Demonstranten der neuen Bewegung stehen, müssen wir genau hinsehen, was es bedeutet, wenn wir nach Gerechtigkeit rufen. Die Berichte über das wachsende Vermögen der Reichsten nehmen zu, und das inmitten drastischer staatlicher Sparmaßnahmen, was zwangsläufig den Zorn erregt gegen die Banker und die ungezügelte Gier, die in der modernen Gesellschaft auch noch gebilligt wird. Aber welche Sünde ist die größere: die Prämie des Bankers, oder die Tatsache, dass Tausende von Menschen täglich an Hunger sterben in einer Welt des Überflusses? Die Weltwirtschaft sinkt und die Stimme des Volkes steigt an, aber warum gibt es keine Demonstrationen auf den Plätzen der Metropolen für die Menschen, die an Hunger sterben?

Der Grund ist, dass wir den Zusammenhang zwischen unser aller Leben nicht sehen. Wir sind nicht dazu erzogen worden die ärmsten Menschen als unsere Brüder und Schwestern zu sehen oder die Welt als ein voneinander abhängiges Ganzes zu betrachten. Einem Kind wird nicht beigebracht, wie es in Kontakt mit sich selbst und seiner eigenen Natur treten kann, sondern es wird gelehrt, wie es "Jemand" werden kann, in einer kranken Gesellschaft die auf Wettbewerb und Stress konditioniert ist. In den Universitäten können wir viele Bücher studieren über die Geschichte der menschlichen Zivilisation, Philosophie, Politik, Kunst und so weiter, aber das allereinfachste, wie man anderen Menschen dienen kann, wird nicht gelehrt. Die Folge, in einem globalen und kollektiven Sinn ist, dass wir nicht verstehen, dass wir eine einzige Menschheit sind, dass wir alle voneinander abhängig sind und dass wir Verantwortung tragen für diejenigen, die vom Glück weniger begünstigt sind.

Demonstrationen, die in der Wall Street und anderswo stattfinden, hätten schon vor langer, langer Zeit ausbrechen können. Also warum jetzt, so plötzlich? Weil Millionen von Menschen in den wohlhabenden Ländern beginnen die Finanzkriese zu spüren. Selbst wenn wir unsere Hypotheken nicht bezahlen können, egal wie ungerecht die Umstände sind, warum denken wir nicht an diejenigen, die ärmer sind als wir? Es gibt viele verschiedene Ebenen von Armut, wie wir beispielsweise von den USA und anderen reichen Ländern wissen, wo eine außergewöhnlich große Anzahl von Menschen in relativer Armut lebt. Aber wie lebt man mit einer Art von Armut, die Ihnen nicht genug Nahrung für sich selbst oder für Ihre Kinder ermöglicht? Wenn Sie keine Unterkunft, oder Geld, oder sogar die einfachste Form der Gesundheitsfürsorge mehr haben, welche Sie vor dem Tod rettet? Wir sind alle vertraut mit dem Begriff " Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", aber warum wird dieser Satz nicht von der internationalen Gemeinschaft verwendet, wenn tausende von Menschen täglich an Hunger sterben, oder für die 1,4 Milliarden Menschen, welche einfach von der Weltbank als die “extrem Armen” abgeschrieben werden?

Jetzt, wo das Wirtschaftssystem kollabiert, muss jede Nation mit ihrem Wiederaufbau beginnen, und wir können alle an diesem Prozess teilnehmen. Aber wir müssen erkennen, dass dies damit beginnt, dass der Hunger abgeschafft wird. Bevor wir das Wort Ungerechtigkeit in den Mund nehmen, müssen wir zuerst das Hungerproblem lösen. Wenn man ein neues Haus kauft, räumt man erst den Mist der alten Eigentümer weg. Dieser Mist, ist in diesem Fall das Problem des Hungers. Wir können nicht in die Welt hinaus gehen und für Gerechtigkeit kämpfen, wenn unsere eigenen Kinder zu Hause auf uns warten, verlassen und hungrig. Die Welt ist in einem so schlechten Zustand, dass es einer dramatischen Rehabilitation bedarf, aber zuerst müssen wir uns um unsere Kinder kümmern, die hungernden Menschen der Welt!

Nach dem Attentat von 9/11 wurde eine riesige Armee in den Irak geschickt und innerhalb eines Monats wurden Soldaten zu Land, zu Wasser und in der Luft eingesetzt. Ungeachtet der schrecklichen Folgen dieses illegalen Krieges, stellen Sie sich vor, all die Menschenkraft und das Know-how würde eingesetzt, um Leben zu retten und nicht um Leben zu nehmen? Stellen Sie sich vor, wie alle militärischen Ressourcen der Welt mobilisiert werden, um den Hunger als oberste Priorität zu beseitigen – anstelle von Geopolitik, Verteidigung und Unternehmensprofit. Kürzlich jagte die NATO hunderte von Millionen Dollar effektiv buchstäblich in die Luft, um Gaddafi davon abzuhalten sein eigenes Volk zu massakrieren. Wir können darüber streiten, ob das eine notwendige Maßnahme war oder nicht, aber es gibt noch eine andere Frage, die wir uns stellen sollten: Warum sendet die NATO nicht alle ihre Flugzeuge und Armeen nach Afrika um die hungernden Menschen zu ernähren? Viel mehr Menschen wären möglicherweise in Bengasi gestorben, hätte es keine Intervention von außen gegeben, aber zur gleichen Zeit starben Tausende von Menschen an Hunger und Armut in anderen Teilen der Welt, und sterben weiterhin jeden Tag. Warum greift die NATO nicht ein gegen die Al-Shabab - Milizen, die Hilfsmittel für das somalischen Volk für sich abzweigen? Die Antwort darauf wissen wir alle: weil es dort keine strategischen oder wirtschaftlichen Interessen zu verteidigen gibt. Leider ist das nicht Grund genug, die Menschen in Massen zu mobilisieren, um auf die Straßen zu gehen und eine Antwort von den Regierungen darauf zu fordern: Warum helfen wir den Millionen von Menschen nicht, die an Hunger leiden?

Sogar die Kirche ist ihrer Pflicht nicht nachgekommen, das Gewissen der Welt über die Blasphemie des Hungers aufzurütteln, obwohl kein Gesetz den Klerus davon abhalten könnte auf die Straße zu gehen und gegen den Hunger zu demonstrieren. Als die Demonstranten außerhalb von St. Pauls Cathedral in London ihr Lager hatten, stand auf vielen Bannern die Frage "Was würde Jesus tun?" Man könnte sich fragen, wie die Kirche wohl reagieren würde, sollte Christus heute wiedererscheinen, als ein "göttlicher Aktivist” inmitten der Massendemonstrationen, protestierend für Freiheit und Gerechtigkeit auf der ganzen Welt. Leider stempeln wir die wenigen Menschen, die das Richtige für die Welt tun, als "Aktivisten" ab, und stellen sie damit als irgendwie anders hin als uns, abseits von den normalen Bürgern. Die Medien- und Werbebranche ermutigt uns zu solchen Etiketten, die uns von dieser sozialen Identität trennt und uns fern hält von Mitleid und groben Ungerechtigkeiten, die unsere Erde plagen. Es sind dieselben Spaltungen in unserem Bewusstsein, die es uns ermöglichen zu sagen: "Es hat schon immer Hunger gegeben und das wird sich nicht ändern." Oder den Warnungen der Umweltschützer nickend zuzustimmen: "Es ist naiv zu glauben, dass wir die Welt verändern können". In diesem Sinne wird das Wort Aktivist abgewertet zu: "Einem, dem niemand zuhört".

Ein Verständnis für Gerechtigkeit erfordert auch eine Wachheit, die Dinge klar zu sehen und für sich selbst zu denken und nicht dem Slogan einer Ideologie zu folgen. Jetzt wo die alte Ordnung zusammenbricht und keine Regierung weiß, was zu tun ist, können wir nicht mehr mit dem Finger auf unsere Politiker zeigen. Wir müssen ihn auf uns selbst richten. Wir sagen gerne, "es ist die Schuld unserer Regierung", aber ist es wirklich die Regierung oder unsere eigene Untätigkeit, unser eigener Mangel an Interesse, unsere eigene Selbstgefälligkeit? Wie wir im Nahen Osten gesehen haben, wenn zwei Millionen Menschen auf die Straße gehen und friedlich ihre Fäuste erheben, dann hat die Regierung keine andere Wahl, als zuzuhören oder ihr Amt niederzulegen.

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Wir sollten versuchen zu verstehen, was das für den Ökonomen und den Politikern bedeutet. Da es offensichtlich ist, dass unsere wirtschaftlichen, sozialen und politischen Systeme völlig neu strukturiert werden müssen, ist es tatsächlich die Verantwortung der Regierungen diese Systeme neu zu gestalten. Und zwar so, dass niemand mehr an Hunger stirbt. In der ersten Instanz erfordert dies internationale Zusammenarbeit für ein Notprogramm zur Umverteilung, in allem und anders als dies bisher geschah. Ein solches Programm darf nicht auf Wohltätigkeit beruhen, die absolut nichts mit Gerechtigkeit zu tun hat. Wohltätigkeit ist natürlich entscheidend in der heutigen Welt, wo Milliarden von Menschen in Armut leben. Jedoch stellt die Notwendigkeit von Nächstenliebe eigentlich ein trauriges Bild öffentlicher Selbstgefälligkeit dar. Ein Notfall-Programm kann nicht auf der bestehenden Prämisse basieren: "Lasst uns unser Bestes tun, um die hungernde Bevölkerung zu ernähren", sondern muss vielmehr mit dem Verständnis, dass " so etwas nie wieder geschehen darf" aufgebaut werden.

Es gibt genügend Lebensmittel und Ressourcen, um jeden auf der Welt zu ernähren, zu kleiden, unterzubringen und medizinisch zu versorgen, wie das seit langem in Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben ist. Dieser Artikel muss als Gesetz für jede Nation gelten, da er streng genommen schlechthin der Ausdruck für Gerechtigkeit ist. Genauso wie es Bestimmungen zu befolgen gilt, wenn ein Land Mitglied der Europäischen Gemeinschaft werden will, müssen die Menschenrechtsartikel der Vereinten Nationen die Mitgliedstaaten dazu gesetzlich verpflichten, um gemeinsam zu verhindern, dass in irgendeinem Land Menschen an Hunger sterben. Artikel 25 muss in die Rechtsordnung aller Länder aufgenommen werden und durch die Kraft der öffentlichen Meinung in der ganzen Welt gestützt werden. Die Stimme des Volkes sollte in den Vereinten Nationen gehört und vertreten werden – dafür stehen die Vereinten Nationen. Sie sollte die Herzen und Gedanken aller Menschen vertreten. Dies wird unweigerlich lange dauern, und jede Nation sollte auch weiterhin in ihren eigenen Traditionen wachsen. Aber als allererster Schritt sollten aufgeklärte Politiker und die Öffentlichkeit ihre Forderung für ein Notfall-Verteilungsprogramm unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen zum Ausdruck bringen, welche die dringlichste Aufgabe der UN werden sollte, die sie jemals unternommen hat.

Die logistischen Details eines solchen Programms werden eine gewaltige Herausforderung für die Verhandlungen und Planungen der Regierungen sein, aber es darf keine Ablehnung für dieses umfassende Mandat geben. Immer wieder sehen wir dieselbe Geschichte in humanitären Notlagen, wie das Erdbeben in der Türkei, oder die Überschwemmungen in Thailand: nicht genügend Ressourcen, nicht genug Unterstützung, nicht genug Hilfe für alle. Selbst im reichsten Land mit dem größten Militärausgaben waren die Menschen in New Orleans im Hurrikan Katrina auf sich selbst gestellt und die Welt rief "Wo ist Präsident Bush?" Wenn wir unsere eigenen Interessen sichern oder in den Krieg ziehen wollen, geschieht alles ganz schnell - wir verfügen über genügend Ausrüstung, Waffen, Arbeitskräfte und Geld. Aber wenn es um das Leiden der armen Menschen geht, ist plötzlich kein Geld da. Dieser Trend muss umgedreht werden. Daher muss die Prävention menschlicher Not, unabhängig von der Ursache - Armut, Konflikte oder Naturkatastrophen - durch eine internationale Behörde gewährleistet sein. Betrachten Sie es als einen weltweiten Rettungsdienst, der durch eine Beteiligung von allen Nationen finanziert wird. Wir sollten das nicht als einen "humanitären" Akt betrachten, der mit Wohltätigkeit zu tun hat. Solche Programme sollten in unseren reformierten politischen und wirtschaftlichen Institutionen verankert und internationales Gesetz sein.

Nichts davon wird ohne den beispiellosen Aufstand und die Unterstützung der Öffentlichkeit geschehen. Die Probleme der Welt können nicht durch eine politische Partei oder eine Ideologie gelöst werden, sondern nur dadurch, dass die Stimme des Volkes auf der ganzen Welt zu Einer einzigen wird, frei und gemeinsam. Ideologien und Glaubenssysteme sollten bei den entstehenden Veränderungen keine Rolle mehr spielen. Eine gesunde Revolution beginnt damit frei sein zu wollen von allen Ismen und Ideologien, die den freien Willen der Menschen ständig beeinflussen und uns daran hindern, die Liebe zwischen Menschen jeder Rasse und Kultur zum Ausdruck zu bringen. Wenn wir frei von Überzeugungen und Ideologien sind, wird ein ganz natürlicher Raum in unseren Gedanken geschaffen. Ein Raum, in dem wir anfangen, uns selbst zu finden. Dies gibt uns wiederum die Fähigkeit und die Energie, uns in Liebe mit anderen zu identifizieren.

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Aber es ist ebenso sinnlos "gegen” alle Überzeugungen oder Ideologien zu sein, wie zum Beispiel gegen den Kapitalismus anzugehen. Es ist an der Zeit den Kapitalismus an seinen richtigen Platz zu stellen und die Ressourcen der Welt so zu verteilen, dass sie dort hingelangen, wo sie am meisten benötigt werden. Der Kapitalismus entwickelte sich auf eine natürliche Art und Weise, und es ist normal zu sagen: "Dies ist dein, und das ist mein". Aber die Zeit wird kommen, wenn wir sagen müssen: "Lasst uns teilen, was wir haben". Teilen bedeutet miteinander, denn wir können nicht mit einer anderen Person teilen, ohne schweigend anzuerkennen, dass wir zusammen sind, dass wir hier sind, um einander zu helfen. In diesem Sinne hat das Prinzip des Teilens die Befähigung zu vereinigen, statt zu spalten.

Die Schönheit des Teilens ist, dass es keiner politischen Partei oder einem Ismus eigen ist, sondern den Menschen der Welt gehört. Es gehört nicht der sozialistischen Partei, oder den Kommunisten, oder sonst jemand. Es ist die Befreiung der leidvollen Geschichte aller Ideologien und Überzeugungen, welche zu ungeheuren Konflikten geführt hat. Wenn wir verstehen, dass das Prinzip des Teilens grundlegend für unser Überleben ist, aber tragischerweise auf jeder Ebene der Gesellschaft vernachlässigt wird, werden wir erkennen, dass Teilen der sicherste Leitfaden für Gerechtigkeit und Frieden ist. Dann wird jeder Einzelne von uns zum Botschafter der Menschheit, denn über allen Nationen stehen die vereinigten Menschen der Welt.

Was könnte das für die Demonstranten in New York und jeder anderen Stadt bedeuten? Sie wissen sehr wohl, dass wir eine Neuverteilung brauchen, dass wir den Geldfluss in falsche Hände stoppen müssen – vor allem in die Rüstungsindustrie. Wie man es auch betrachtet, Krieg muss zu einem Ende kommen. Niemand will mehr Krieg haben – oder kein Land kann es sich noch leisten in den Krieg zu ziehen. Die Demonstranten sind sich auch bewusst, dass mehr als genug Geld da ist für alle und es von mächtigen Familien und Unternehmen gehortet wird, selbst von Regierungen, die es dann unüberlegt ausgeben. Jedes Land muss seine Reichtümer und Ressourcen unter seinen eigenen Bürgern fairer verteilen.

Aber wir müssen die Ressourcen auch weltweit verteilten, zunächst als Nothilfeprogramm für diejenigen, die nicht einmal das Nötigste zum Leben haben. Die Ressourcen müssen schließlich durch ein neues internationales Wirtschaftssystem, das nicht mehr auf Wettbewerb und materiellen Gewinn aufgebaut ist, gleichmäßig verteilt werden. Diese längerfristigen Transformationen erfordern visionäres Denken und eine neue Art von Ökonomen, und es kann möglicherweise viele Jahre dauern, bis unser globales Regierungssystem neu strukturiert ist. Durch die gemeinsame Nutzung von Weltgütern, werden sich die Gesetze grundlegend ändern müssen, alles muss vereinfacht werden. Aus diesem Grund sollten wir nicht unsere Zeit verschwenden und auf den Rat der orthodoxen Ökonomen oder Politiker hören, ihre Theorien sind veraltet und irrelevant für die kommende Zeit. Wenn das Prinzip des Teilens die Regierungspolitik zu beeinflussen beginnt, wird sich das gegenwärtige wirtschaftliche System naturgemäß verändern oder schwinden. Beide können nicht nebeneinander existieren. Denn das eine bewirkt in seiner Komplexität die Spaltung und das andere ist in seiner Einfachheit vereinigend.

Niemand ist immun gegen die Veränderungen, die vor uns liegen, also lassen Sie uns nicht gegen das System arbeiten, sondern es gemeinsam transformieren. Dies erfordert die Zuversicht, dass wir das System wirklich transformieren können und dass eine bessere Welt möglich ist. Dazu bedarf es Bewusstsein, Zusammenarbeit, und mehr Geduld - vor allem Geduld. Wie wir gesehen haben verabscheuen die Regierungen instinktiv jeden Aufstand des Volkes, denn ihre Macht ist in Gefahr. So versuchen sie mit ihrer Taktik durch Polizeieinsätze uns selbst von der friedlichsten Form der Demonstration abzuhalten. Also müssen wir stetig weitermachen, sonst ist Veränderung nicht möglich.

Wir sind bereits eine machtvolle Kraft, wir strukturieren uns selbst und sind dabei zu einer Stimme zu werden. Jede Demonstration in der Welt soll in ihrer eigenen kreativen Art und Weise zum Ausdruck bringen, dass wir es ablehnen so weiterzuleben wie bisher. Aber wir können die Welt nicht verändern, wenn wir uns nicht als erstes um die Betreuung der am stärksten gefährdeten Menschen kümmern, das bedeutet, dass wir von unseren Regierungen ein sofortiges Ende der Hungersnot verlangen. Eine wahrhaftige soziale Revolution hat Moral in ihrem Herzen, weshalb unsere oberste Priorität sein muss jeder lebensbedrohlichen Lage in jedem Land ein Ende zu setzen. Der Schlüssel ist, dass jeder seine Stimme für eine signifikante wirtschaftliche Verteilung erhebt und die Grenzen der Forderungen kontinuierlich erweitert. Ziel ist, dass die Regierungen gemeinschaftlich dieses einheitliche Prinzip in der Weltpolitik umsetzen. Der richtige Zeitpunkt zu handeln ist JETZT – denn das war immer so.

 

Mohammed Sofiane Mesbahi ist der Gründer von STWR

Dieser Artikel wurde aus einem Interview von Adam Parsons bearbeited. Er ist der Redakteur von STWR und kann unter Adam [at] stwr [dot] org kontaktiert werden.

Übersetzung: Ute Redl und Sonja Scherndl