• English
  • 日本語
  • France
  • Deutschland
  • Italy
  • España
  • Slovenia

Kommerzialisierung: Die Antithese zum Teilen

STWR
02 February 2015

 Die größte Gefahr in der heutigen Welt ist nicht die Kommerzialisierung an sich, sondern unsere ständige Identifikation mit ihrer inneren und äußeren Manifestation, da sie die menschliche Intelligenz in die Gegenrichtung von Natur und spiritueller Evolution leitet.

 


 

"Sharing ist der Schlüssel, um die Probleme der Welt zu lösen."  Diese Aussage ist so einfach, dass es fehlschlagen könnte sich dafür einzusetzen, also müssen wir auf dieses Thema viel tiefgründiger eingehen, um verstehen zu können, was das bedeutet. Um zu verstehen, warum Teilen der sicherste Leitfaden für Gerechtigkeit, Frieden und richtige menschliche Beziehungen ist, müssen wir seinen Sinn und seine Bedeutung aus vielen Blickwinkeln untersuchen – sowohl aus psychologischer und spiritueller, wie auch aus sozialer, wirtschaftlicher und politischer Perspektive. Es gibt Myriaden von Möglichkeiten die Natur dieses Prinzips zu erfassen, denn es ist ein Energiezentrum innerhalb der Gesetze des Lebens, und jeder kann darin intuitiv seine außergewöhnliche Vielseitigkeit erfahren. Und wenn es stimmt, dass Teilen von grundlegender Bedeutung für unsere weitere Entwicklung auf dieser Erde ist, dann ist die erste Frage, die wir untersuchen müssen: Warum wird dieses Prinzip nicht als die Lösung für die Krise unserer Zivilisation verstanden?

Eine Möglichkeit herauszufinden, wie das Teilen in unseren Gesellschaften untergraben wurde, besteht darin, zu beobachten, wie sich die Kommerzialisierung zunehmend in unserem Bewusstsein etabliert hat. Es ist leicht zu sagen, dass Teilen die Lösung für das Übel der Welt ist, aber diese Behauptung wird nur zu einem anderen pathetischen Glauben, außer wir berücksichtigen gleichzeitig, wie die Kommerzialisierung ihren Griff auf unsere Evolution von Stunde zu Stunde verschärft. Um den Schlüssel zur Lösung der Probleme der Menschheit zu finden, müssen wir uns jedoch fragen, warum haben wir den Politikern die Macht gegeben unsere sozialen und wirtschaftlichen Vereinbarungen, wie auch unsere Ausbildung und unser tägliches Leben, zu dominieren. Vor allem müssen wir durch Selbstreflexion und mit innerem Bewusstsein untersuchen, wie Selbstgefälligkeit und falsche Erziehung zu einer kollektiven Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden anderer führten.

Auf einer persönlichen Ebene, wie in unseren Familien und Gemeinden, verstehen wir alle was Teilen bedeutet. Also, warum verstehen so wenige Menschen die Notwendigkeit, das Prinzip des Teilens auf nationaler und internationaler Ebene zu implementieren? Zum größten Teil kann die Antwort auf diese Frage einfach ausgedrückt werden: Es kommt daher, weil die Basis unserer Gesellschaft so aufgebaut ist, dass man den Marktkräften freien Lauf lässt. Wir haben komplexe wirtschaftliche und politische Systeme entwickelt, die immer mehr auf Profit und Vermarktung ausgerichtet sind: die Steuerstrukturen, die Großunternehmen, die zahlreichen gesetzlichen Regelungen die geschaffen werden um private Interessen zu verteidigen - all das schafft eine extrem komplizierte und gespaltene Gesellschaft. Niemand versteht das System am Ende, aber das System versteht genau, wie es uns für seine eigenen Zwecke manipulieren kann. Und in einer so komplexen Gesellschaft, die so viele Gesetze und Richtlinien erstellt, um die Vermarktung zu erleichtern, kommt das Prinzip Teilen fast nicht vor.

Solange wir in einer Gesellschaft leben, die sich von Profitstreben und Kommerzialisierung antreiben lässt, wird das Prinzip des Teilens immer in den Schatten gestellt werden. Kommerzialisierung tritt ein, Teilen verschwindet. Das können wir in allen Bereichen der menschlichen Betätigungen beobachtet. Die gleiche Realität gilt auch bei der Umwelt: wenn Kommerzialisierung auftritt, hat die Natur verloren. In der Tat, wenn Kommerzialisierung ins Spiel kommt, kann das invasiv und so zerstörerisch sein, dass ganze Familien zusammenbrechen. Traditionen und nationale Identitäten können zu Bruch gehen, wie wir schon mit etlichen Freihandelsabkommen und der wirtschaftlichen Integration in Europa gesehen haben. Überall dort, wo diese Kräfte entfesselt werden, kann das zu einer wachsende Kluft zwischen Arm und Reich führen, zu einem Verlust der Solidarität in der Gemeinschaft und zu einer Ansteckung zu geistiger Unruhe, was den Menschen schließlich von seiner gottgegebenen Intelligenz genau in die Gegenrichtung von sozialem Fortschritt und Evolution lenkt.

* * *

Wir sprechen nicht über Kommerz per se, sondern über Gier und Selbstsucht, die beteiligt sind, wenn die Marktkräfte entfesselt werden, und die sich daraus ergebende Selbstgefälligkeit und Gleichgültigkeit. Das heißt nicht, dass wir im Handel beschäftigt sein müssen, damit sie uns betreffen. Es gilt für uns alle, weil wir alle in einer Welt, die von den Marktkräften durchdrungen ist, leben. Die Gefahr liegt auch nicht im Prozess der Kommerzialisierung an sich, sondern unserer konstanten Identifizierung mit ihrer inneren und äußeren Manifestation.

Es hat keinen Sinn zu versuchen die Kommerzialisierung psychologisch zu begreifen, oder sie zu definieren, weil wir die dunklen Kräfte nicht verstehen, welche ihre Vorgänge durch eine lexikalische Beschreibung stützen. Das alte Verständnis vom Handel, einfach kaufen und verkaufen, ist fast verloren gegangen, und aus einer bestimmten Perspektive haben die Kräfte des Marktes unsere Zellen wie eine Krankheit infiltriert und sie in einen leisen Killer verwandelt, genannt Kommerzialisierung. Sie ist ein Teil von uns und sie lebt in uns. Die Kommerzialisierung ist das System, das wir in Beziehung zur Erde und untereinander erzeugt haben, und sie ist in der Entwicklung des Menschen und im Leben der Gesellschaft inhärent. Natürlich ist es nicht verkehrt, einen systematischen Austausch von Waren und Dienstleistungen innerhalb oder zwischen Nationen zu tätigen. Aber wie man ein Messer dazu verwenden kann, um Gemüse zu schneiden oder einen Menschen zu töten, so kann auch Kommerz zum Guten oder Bösen angewandt werden.

Unsere Untersuchung zielt darauf ab, wie Kommerzialisierung uns vom kreativen Erfüllen unserer einfachsten Bedürfnisse weggeführt hat und unsere Motive hin zu sinnlosem Streben nach Profit und endlosem Verbrauch verfälscht hat. Warum können wir die zerstörerische Kraft der Kommerzialisierung nicht erkennen, trotz all der Schäden, die sie in der Gesellschaft und in der Umwelt anrichtet, und sie beschränken? Es gibt eine einfache Antwort auf diese Frage: weil wir alle auf der Suche nach Glück sind. Und die Kommerzialisierung ist sehr klug, sie verspricht uns Glück, ein "gutes Leben", ein bequemeres Leben und Sicherheit. Wir sind alle auf der Suche nach Sicherheit. Aber es wird uns ein falsches Gefühl der Sicherheit verkauft - eine gefährliche Phantasterei.

Auch hier geht es nicht um die Sicherheit im rein materiellen Sinne, wie die wirtschaftliche Sicherheit, die eine Familie nach Nahrung und Obdach streben lässt. Unsere tiefere Besorgnis gilt der Suche nach psychologischer Sicherheit, die uns dazu verführt, noch weiter voneinander getrennt zu werden, und die im Wesentlichen unsere Intelligenz und Freiheit ableugnet. Es ist das Bedürfnis nach psychologischer Sicherheit, die unsere Persönlichkeit weiter antreibt in der Suche nach dem illusorischen Glück. Und die Kräfte der Kommerzialisierung sind Experten darin uns ein solches Glück vorzugaukeln, indem sie unseren Verstand blenden, weit entfernt vom Bewusstsein des inneren Selbst, dem einzigen Platz, wo wirklich Zufriedenheit oder Freude gefunden werden kann.

Glück im Kontext einer stark kommerzialisierten und ungerechten Gesellschaft ist eine der hässlichsten, gesellschaftlichen Phantasien an die wir uns klammern, denn in so einer Gesellschaft kann Glück nur Hand in Hand mit Elend und Leid gehen. Wie ein Waschbecken, es hat immer zwei Hähne; einen heißen und einen kalten. Glück und Elend existieren in einer dysfunktionalen Gesellschaft zwangsläufig nebeneinander. Die Sehnsucht nach der illusorischen Art von Glück kann auch dann gefährlich sein, wenn wir in diesem Prozess emotional gefangen sind und uns nur mit uns selbst beschäftigten, und dadurch ein fremdbestimmtes, nicht kreatives Leben führen. Es dauerte nicht lange bis unsere natürliche Tendenz zu Nächstenliebe und Mitgefühl gegenüber denen die weniger Glück haben als wir, durch Selbstgefälligkeit, Gleichgültigkeit und Angst außer Kraft gesetzt wird. Das führt uns zu einer wichtigen Frage: Welche Beziehung besteht zwischen Angst und der Suche nach dem persönlichen Glück?

* * *

Die Kräfte der Kommerzialisierung rauben uns die Fähigkeit, uns mit Selbsterkenntnis und ohne Angst zu beobachten. Selbst in unseren engsten persönlichen Beziehungen leben wir in Angst als Ergebnis unserer ständigen Suche nach Glück und Sicherheit. Auf diese Weise infiltriert die Kommerzialisierung unseren Geist und manipuliert uns psychologisch. So werden endlose Wünsche nach Objekten und Besitz kreiert, und das limitiert unser Bewusstsein in einer Weise, dass wir nicht über unsere emotionalen Bindungen hinaussehen können. Es kann uns dazu erniedrigen, die ganze Nacht vor einem Einkaufszentrum oder Geschäft Schlange zu stehen. Und es kann uns so in Trance versetzen, bis wir glauben, dass Einkaufen unsere Religion ist oder dass die tiefste Bedeutung des gesunden Menschenverstandes in 'Eins Plus Eins gratis' liegt. Es kann eine Person dazu führen einen zukünftigen Partner anzusehen und zu denken: "Sieht gut aus, aber ob er auch Geld hat?" Oder es kann die Teenager dazu zu bewegen, ihre Mitschüler nachzuahmen und danach zu streben, wie sie zu sein, ständig die letzte Mode zu tragen und den teuersten “Look" zur Schau zu stellen. Für die Kommerzialisierung ist es sehr einfach, das Bewusstsein junger Kinder zu manipulieren und die wahre Bedeutung von Bildung zu verzerren - was wirklich innere Freiheit und Selbsterkenntnis betrifft, nicht Konformität, Vergleich oder Wettbewerb. Kommerzialisierung macht uns klein, es macht uns Angst, es entwürdigt unsere Bescheidenheit, und wir sind uns dessen nicht einmal bewusst. Konditionierung und Angst wurden durch diese Kräfte so tief in uns verankert, dass die Einfachheit des Teilens für uns keinen Anreiz hat, und das verursacht geistige Blindheit auf höchster Ebene.

Beachten Sie die psychologische Grund-Dynamik, die durch die Vermarktung in unser Bewusstsein eingepflanzt wurde: konstantes messen und vergleichen zwischen den Menschen und die instinktive Verehrung von Erfolg, der Wunsch "etwas zu erreichen" um "Jemand" zu werden. Und die gleiche Bewunderung von Erfolg und Leistung ist in unseren Kindern vom frühesten Alter an verwurzelt; damit sie sich eines Tages im Spiegel betrachten können mit den Worten „Ich habe es geschafft“. Auch der Künstler strebt danach und sagt: "Ich habe es erreicht", oder will, dass andere von ihm bewundernd sagen: "Kennen sie diesen Mann? Er ist sehr bekannt und erfolgreich!“ Aber wenn wir uns selbst definieren, im Vergleich zu anderen, wenn wir uns ständig messen und vergleichen mit anderen, die etwas haben das wir nicht haben, erschaffen wir letztendlich einen eigenartigen Minderwertigkeitskomplex, der den Ausdruck des geistigen Potenzials und der richtigen mitmenschlichen Beziehungen verhindert. Diese Dynamik gefällt den Kräften der Kommerzialisierung sehr gut. Durch unsere stete Würdigung von Erfolg und Leistung, unterstützen wir die Erhaltung der Kräfte der Materialität und des Wettbewerbs in jedem Bereich unseres Lebens - in den Schulen, an unseren Arbeitsplätzen, in unserem Heim, ja sogar in unseren Träumen.

Stellen Sie sich vor, eine berühmte Persönlichkeit oder ein Millionär betritt den Raum. Unsere Haltung dieser Person gegenüber wäre vermutlich anders, als wir uns sonst verhalten würden.  Denn wir sind auch so, wir sind konditioniert zu denken: "Werde erfolgreich, dann bist auch du jemand". Durch unsere soziale Konditionierung sind wir alle geneigt uns innerlich vor der Autorität eines „Jemand“ zu beugen, und somit ist es der Kommerzialisierung gelungen Maschinen aus den Menschen zu machen. Ihre erste Aufgabe ist es, uns glauben zu machen, dass Erfolg der richtige Weg ist, und es wird uns gesagt, um erfolgreich zu sein, müssen wir hart arbeiten. Dann lernen wir, dass wir mit allen anderen konkurrieren müssen, um an ‚die Spitze’ zu kommen. Es dauert nicht lange, bis wir unsere angeborene Freiheit und Kreativität verlieren und damit beginnen Ideologien und Überzeugungen zu folgen, bevor wir uns dann anpassen und selbstgefällig werden.

Selbstgefälligkeit und Gleichgültigkeit gegenüber dem Leiden anderer - das ist das unvermeidliche Ergebnis der Anbetung von Erfolg und Leistung. Denn genau das tut die Besessenheit vom individuellen Leistungszwang in unseren Gesellschaften - sie erzeugt Gleichgültigkeit. Sogar die gebildete Person, die wir vernünftig nennen, ein moralisch aufrechter Bürger, wird beiläufig sagen: "Es hat schon immer Hunger gegeben, und das wird sich nicht ändern."

Darüber hinaus ist es skurril welch eine düstere emotionale Wirkung Kommerzialisierung auf eine Person hat, die diesen unglücklichen Planeten betrachtet und sagt: "Ich will helfen, aber ich fühle mich so hilflos." Zweifelslos gibt es immer etwas was wir tun können zur Linderung der Leiden in der Welt, aber es sind vor allem die Kräfte der Kommerzialisierung, die uns überwältigt haben und uns das Gefühl vermitteln isoliert und als Menschen hilflos zu sein. Durch die Entfesselung der Marktkräfte, in jedem Bereich des menschlichen Lebens, verlieren wir allmählich Mitgefühl, guten Willen, Bewusstsein und unseren gesunden Menschenverstand. Dieselben Kräfte haben das Prinzip des Teilens mit aller Macht seit Jahrzehnten gemobbt und sie wachsen in einer so schwer fassbaren und raffinierten Weise, dass Selbstgefälligkeit heute zur Norm geworden ist.

* * *

So ist es nicht übertrieben zu sagen, dass die Kommerzialisierung wie die Pest für die Evolution des Menschen ist, oder wie ein unsichtbarer Tsunami, eine allmähliche Sintflut auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Gesellschaft. Jemand, der an den Teufel glaubt, denkt besser noch einmal darüber nach wer und was das ist, wenn es so etwas überhaupt gibt. Was ist schließlich das Böse, ohne unsere frei gewählte Identifikation mit seiner Manifestation? Unsere Selbstgefälligkeit und falsche Erziehung haben die Kommerzialisierung in die Lage versetzt wie ein mächtiger Hammer zu agieren, während das Prinzip des Teilens ein winziger Nagel ist. Das heißt, wir haben eine Lebensweise entwickelt, wo es ok ist zu wissen, dass Menschen in anderen Teilen der Welt an Hunger sterben, während wir selbst nichts dagegen tun.

Es ist nicht so, dass wir unsere Selbstgefälligkeit und Gleichgültigkeit entschuldigen könnten. Unsere Selbstgefälligkeit sollte vor Gericht gestellt werden, wo wir dann alle für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt werden sollten. Wir müssten eine weltumspannende Schlange vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bilden, denn wir sind alle mitschuldig. Durch unsere kollektive Selbstgefälligkeit und Gleichgültigkeit haben wir geschwiegen, während die Erde geplündert und zerstört wurde, und wir wegschauten und unsere Mitmenschen in Armut sterben ließen. In der abschließenden Analyse sind die Menschen, die die Erde entweihten und die, die nichts dagegen unternommen haben, ein und dasselbe, weil das eine nicht ohne das andere existieren kann. Wir könnten sogar sagen, dass derjenige, der wegschaut sogar schuldiger ist, weil der, der die Ressourcen der Welt hortet und die Erde zerstört von der Selbstgefälligkeit der anderen abhängig ist – ansonsten würde das nicht funktionieren.

In Wahrheit ist die Kommerzialisierung nichts anderes als ein stiller Krieg, ein Krieg gegen das Wachstum und die Entwicklung der Menschheit. Dieser Punkt kann nicht stark genug betont werden: Kommerzialisierung ist ein Krieg. Nicht nur ein Krieg zwischen den verschiedenen Seiten, zwischen konkurrierenden Nationen oder rivalisierenden Stämmen, sondern ein Krieg an sich. Ein Krieg der in jedem Haushalt, jeder Gemeinschaft und Nation geführt wird, denn die Vermarktung wirkt so verschlagen, so intelligent, dass es die Schwächen der Menschheit nutzt. Sie kennt unsere Emotionalität ganz genau, denn dort residiert sie und von dort aus manipuliert sie uns. Und von hier aus verschmilzt sie mit unseren Überzeugungen und Ideologien, und fördert die verschiedenen Fraktionen und ernährt sich von den politischen Parteien, die gegeneinander kämpfen. Sie ist so subtil, dass sie in der Lage ist unsere Überzeugungen und Ismen als Aktien und Wertpapiere zu vermarkten, denn genau dort investiert sie in ihr eigenes Wachstum.

Die unsichtbare Realität ist, dass seit mehreren Jahrzehnten ein weiteres Auschwitz allmählich aufgebaut wird, jedoch diesmal in einer anderen Form - es treibt die Menschheit dazu, vollständig vor der Macht des Profits und der Kommerzialisierung zu kapitulieren. Globale Kriege werden heute nicht nur mit Panzern und anderen Waffen geführt, sondern auch durch die Zerstörung, die in der Gier der Marktkräfte verborgen ist, und die jede Nation auf der Welt überschatten. Wer kann leugnen, dass Tausende unnötiger Todesfälle armutsbedingter Ursachen nicht als Äquivalent für Auschwitz gesehen werden können, und das tagtäglich? Während sich die wirtschaftliche Lage in verschiedenen Ländern weiter verschlechtert, und die internationalen Börsenkurse weiter steigen und wieder zusammenbrechen, werden die Kräfte der Kommerzialisierung immer stärker triumphieren indem sie Konflikte, Chaos und extrem lebensbedrohliche Ungleichheit hervorbringen. Die Minderheit der Reichen wird immer reicher, und die Mehrheit  der Armen wird immer ärmer, bis ein weltweites Auschwitz entsteht mit einem zunehmenden Massentod durch Armut und Hunger. Ein mächtiger, stiller Krieg wird auf jeder Ebene unserer Existenz geführt, den die Männer und Frauen guten Willens auf der ganzen Welt nun anfangen wahrzunehmen, wenn auch eher unbewusst. Unsere Zukunft für die menschliche Rasse hängt ganz davon ab wie wir planetarisch auf diesen Notfall reagieren werden. Der Leser wird dazu aufgefordert, sehr gründlich über das eben gesagte nachzudenken.

* * *

Folgende Punkte fassen nur einige der verschleierten, allgegenwärtigen und sehr bedrohlichen Auswirkungen der zügellosen Kommerzialisierung auf die Menschheit, zusammen:

• Aufrechterhaltung einer mentalen Konditionierung – eine Verschmutzung die unsere Seele bedroht.

• Schaffung und Vertiefung von Minderwertigkeitskomplexen im Menschen, welcher Art auch immer, wodurch die Person glaubt ein bestimmter “Jemand” werden zu müssen, und dabei ihre wahre spirituelle Bestimmung im Leben einbüßt.

• Sie vermittelt oft ein unbewusstes und zuweilen lebenslanges Gefühl der psychologischen Angst im Kopf des Menschen, so dass die Neugier oder Offenheit gegenüber der spirituellen Bedeutung des Lebens verhindert wird und damit die Selbstgefälligkeit aufrechterhält.

• Es lenkt die Aufmerksamkeit der Menschen ständig ab, um das Bewusstsein des inneren Selbst im Augenblick und in der gesamten Lebenszeit zu blockieren.

• Individuen und Gruppen aller Art sind in diesem Laufwerk der Überzeugungen gefangen, und aus diesen Überzeugungen werden vielfältige Ismen genährt und aufrechterhalten.

• Hindert den Menschen kreativ und kommunikativ zu sein und zur Gesellschaft etwas beizutragen.

• Schwächt soziale Dienste.

• Erzeugt eine Trennung zwischen Bürgern und Staat, was zu sporadischem Ausbruch von Chaos und Unruhen führt.

• Erzeugt die Illusion, dass das derzeitige System der Ausbildung - auf Ismen, Überzeugungen und der Verehrung von Erfolg und Leistung basierend - zu sozialer Ordnung führt.

• Erzeugt in Kindern Stress, Gleichgültigkeit und eine innere Verlorenheit.

 • Erzeugt und bekräftigt Misstrauen unter verschiedenen Menschen in der Gesellschaft, bis Zynismus und Angst im Umgang miteinander zur Regel wird.

• Ersetzt eine Kultur der Ethik und Moral mit der Obszönität extremen Reichtums, der auch noch vor den Armen zur Schau gestellt wird.

• Führt zu akuten Gefühlen der Einsamkeit in Menschen aus allen Bereichen des Lebens, eine Einsamkeit, die jeden dazu bringen kann, sich arm und wertlos zu fühlen.

• Fördert weltweite Depression bis zu dem Punkt, wo Individuen und Gruppen ihren wahren spirituellen Sinn des Lebens nicht mehr erkennen.

• Ergibt eine hochkomplexe Gesellschaft, in der das einfache Verständnis für richtige menschliche Beziehungen ersetzt wird durch eine endlose, aufreibende und letztlich gewaltsame Verfolgung der Menschenrechte.

• Verstärkt die Überzeugung, dass ständiges Wachstum des jetzigen Systems erforderlich ist, sogar wenn die Weltwirtschaft am Boden liegt. (Das gleiche System, welches bereits zu wirtschaftlichem Aufruhr, sozialen Spaltungen und weit verbreitetem Schmerz und Leid geführt hat.)

• Verursacht die Zerstörung der Erde und Luft, bis jeder der über die Umwelt ernsthaft besorgt ist, kein Licht mehr am Ende des Tunnels erkennen kann.

Daher ist Kommerzialisierung in der Tat ein stiller Krieg - ein Krieg, in dem ständig Bomben auf die wahre Bedeutung von Bildung fallen; also auf die Selbsterkenntnis. Es ist ein Krieg, der sowohl psychologisch als auch materiell Millionen von Menschen in die Armut treibt und das könnte schließlich zu einem totalen Krieg zwischen allen Nationen führen.

     * * *

Um es zu wiederholen: Kommerz an sich ist nicht gefährlich, noch der Kapitalismus. Aber es ist das stetige Säen von Samen der Erfolgsanbetung, welche den gefährlichen Prozess der Kommerzialisierung aufrechterhalten, und in sich die Spaltung und Zerstörung der Gesellschaft bergen. Oder um es anders auszudrücken: die Kräfte der Vermarktung unterstützen uns dabei Erfolg zu verehren, und durch die Verehrung von Erfolg wiederum erhalten wir die Kräfte des Profits und der Kommerzialisierung am Leben. Es ist ein Teufelskreis. Wir brauchen diese Kräfte in unserem Leben, um unser Streben nach Erfolg und Leistung zu erhalten, und diese Kräfte brauchen uns, um sich selbst zu erhalten. Umso mehr Energie wir den Politikern auf der ganzen Welt geben, um die Kommerzialisierung zu glorifizieren, umso mehr werden Jünger der gierigen Marktkräfte in den Regierungen gezüchtet.

Aber am Ende gewinnt niemand. Selbst wenn wir die Stadt verlassen, um ein ruhiges und friedliches Leben in der Stille auf dem Land zu führen, spalten wir uns vom Rest der Gesellschaft und deren Problemen ab. Selbst wenn wir die beste Ausbildung an den angesehensten Universitäten absolvieren, sobald wir die Schule verlassen, erwarten uns übel wollende Kräfte, eine immense Flut an sozialem Druck, der unausweichlich und allgegenwärtig ist, und unweigerlich werden wir in diesem unsichtbaren Strudel ertrinken. Wir können nicht gewinnen, solange die Marktkräfte entfesselt sind, das menschliche Bewusstsein sich noch an Profit orientiert, oder junge Menschen auf die Anbetung von Erfolg und Leistung konditioniert werden.

Wie können wir dann über die Essenz des Teilens sprechen, wenn wir die destruktiven Auswirkungen der Kommerzialisierung nicht ins Auge fassen? Es ist unmöglich, so wie es unmöglich ist über Gerechtigkeit zu sprechen, ohne einen Blick auf unsere Mitmenschen zu werfen, die an Hunger sterben. Wie können wir teilen, wenn der Einfluss von Selbstsucht und Gier unsere Gesellschaft so im Griff hat, und wir Erfolg und Leistung weiterhin verehren? Durch ihre geschickte und manipulative Art unseren Verstand zu konditionieren, hat Kommerzialisierung  das Prinzip des Teilens so verformt, dass es der elende Schatten der Armen und die hilflose Mutter von Milliarden von Menschen die an Hunger leiden, geworden ist. Angesichts dieser allgegenwärtigen materialistischen Kräfte ist es nur normal, dass die Menschen das Prinzip des Teilens als naiv oder utopisch betrachten und denken, dass Sie verblendet sind, wenn Sie sagen, dass Sharing (Teilen) der Schlüssel zur Lösung all unserer Weltprobleme ist.


Mohammed Sofiane Mesbahi, Gründer von STWR.

Redaktionsassistent: Adam Parsons.

Übersetzung von Ute Redl und Sonja Scherndl.

Photo credit: Tax Credits, flickr creative commons